Ohne reiche Eltern hast du keine Chance

Sie ist eine Wirtin wie aus dem Prospekt von Gastrosuisse: charmant, energisch, quicklebendig und mit einer Stimme, die bis ans Seeufer runterträgt. In Stäfa ist Melina Waller Kult, alle kennen sie, und sie kennt alle. Bevor die gebürtige Stäfnerin ihre Berufung fand, lernte sie Coiffeuse, war Kunstturnerin, Regieassistentin und Darstellerin in ­Shakespeares «Verlorener Liebesmüh» am Theater Stäfa. Und sie hatte noch Zeit, mit ihrer Harley auszufahren.
Dann nahm es ihr den Ärmel rein. Zuerst in der Regenbögli-Bar im Niederdorf, später in der Brückenwaage in Stäfa, die sie als Kellnerin von der Dorfknelle bis zum weitherum bekannten Treffpunkt für Liebhaber von XXL-Cordon-Bleus machte. 2011 wollten Melina Waller und ihr Partner Rafael Bettio selbstständig werden und übernahmen den Frohsinn an der Seestrasse in Stäfa.
Keine Chance ohne reiche Eltern
In diesen drei Jahren haben die beiden nicht nur mehr gekrampft als die meisten Leute in ihrem Alter. Sie haben auch einen Crashkurs in Gewerbepolitik absolviert. «Ohne reiche Eltern hast du heute als junger Wirt keine Chance», sagt Melina Waller, «bei den Banken blitzen junge Wirte ab.» Von ihrem Götti und einem Kollegen haben sie schliesslich Kredit erhalten. Für Inventar, Geschirr und – kaputte – Maschinen vom Vorpächter war eine höhere fünfstellige Summe notwendig. Für die ganze Dekoration und alle Malerarbeiten waren die beiden selber besorgt. «Kein Wunder, dass heute immer mehr Imbissstände entstehen und Restaurants durch grosse Ketten geführt werden, wenn Banken in junge, einheimische Wirte so wenig Vertrauen haben», sagt Melina Waller.
Der Kampf gegen die Bürokratie
Der Frohsinn hat fünf Tage in der Woche offen; die beiden kommen selten vor drei Uhr ins Bett – der sechste Tag geht für Buchhaltung und Einkaufen drauf. Und statt lange Sommerferien zu machen, hatten die beiden im Sommer Matilda’s Smoker Bar, eine Raucherbar im ersten Stock des Frohsinns, umgebaut. «Es gibt viele, vor allem Ältere, die nach dem Essen noch gern eins rauchen.»
Beim Umbau lernten die beiden die harten Vorschriften der Schweizer Bürokratie kennen: automatische Türschliesser, Belüftung, Spezialbewilligungen. Beim Wort «Bürokratie» redet sich Melina Waller in Rage. Allein 1000 Franken habe die Bewilligung gekostet, um an Wochenenden bis um 2 Uhr offen haben zu dürfen. Unter der Woche werde die Polizeistunde kleinlich kontrolliert. «400 Franken Busse habe ich bezahlt, dabei waren die Überhöckler alles gute Steuerzahler.» Nun hat sie einen Eintrag im Strafregister und die Androhung eines Alkoholausschankverbots.
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Autor: Ruedi Baumann
Video: Jan Derrer
Quelle: tagesanzeiger.ch
 

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