Der Helvetiaplatz bekommt ein Café

«En Zvieri» mitten im Vieri? Ja, und einiges mehr: Stadtbekannte Gastrounternehmer eröffnen im Herbst in der vormaligen Bankfiliale am Helvetiaplatz eine zeitgeistige Cafébar mit Terrasse, Bäckerei und Rösterei.
Der eine wurde 1967, mit erst 21 Jahren, Manager von Pepe Lienhard. Der andere lieferte sich 1968 – ebenfalls im Alter von 21 – anlässlich der Globuskrawalle ein paar wegweisende Strassenschlachten mit der Polizei. Trotz dieser unterschiedlichen Karrierestarts sitzen Freddy Burger und Koni Frei jetzt, Jahrzehnte später, tatsächlich Seite an Seite im selben Boot (oder, das ist dem Projekt eher angemessen: im selben Kreuzfahrtendampfer). Tja, Sachen gibts, die gibts gar nicht.
Schluss mit lustig, werden wir konkret. Schliesslich gibt es wichtige Kunde zu verbreiten – und zwar diese hier: Der Helvetiaplatz bekommt ein Café! Und somit endlich jene «Zutat», die ihm trotz Kunstaktionen, Märkten, Meisterfeiern und Politkundgebungen bislang fehlte, um die Ausstrahlung und Popularität von anderen zentralen Zürcher Plätzen zu erlangen (Richtig, das ist eine reine Behauptung . . . doch falsch ist sie kaum).
Dabei muss umgehend nachgeschoben werden, dass der Standardbegriff «Café» dem geplanten Unterfangen nicht wirklich gerecht wird. Denn das, was da in den nächsten Monaten in der ehemaligen Credit-Suisse-Schalterhalle erbaut und errichtet und im Spätherbst mit einem rauschenden Fest eröffnet wird, ist auch: eine Aussenterrasse, eine Bar, eine Backstube, eine Bäckerei, eine Küche, eine Rösterei, eine Kulturbühne.

Drei Gastrogenerationen

Dass Burger und Frei das Grossprojekt nicht zu zweit stemmen können und wollen, liegt auf der Hand. Und so fungieren sie dank ihrer Erfahrung im Gas­trobereich, dem guten Netzwerk und der Verwurzelung in Zürich quasi als – der Ausdruck sei gestattet – «Silberrücken» der zwölfköpfigen Helvetiaplatz-Sippe. Deren Mitglieder alle namentlich zu nennen, würde zu weit führen, darum die Kurzversion: Neben Burgers FBM Group sind Frei und zwei seiner Partner vom Restaurant Volkshaus (Urs Mühlherr und Yves Spink) sowie die Miteinander GmbH dabei. Diese Gruppe betreibt so unterschiedliche «Gaststätten» wie den Frau Gerolds Garten, das Maison Manesse – oder auch die Bar Calvados Sportif. Linus Geiges, der langjährige Geschäftsführer dieser Sportbar am Idaplatz, wird dieselbe Funktion künftig in der neuen Cafébar ausüben.
Dass hier zu viele Köche den Brei verderben könnten, wie eine alte Weisheit besagt, glaubt Tom Maurer von der Miteinander GmbH nicht: «Wir sind alle Profis, die sich schon lange kennen und ganz ähnliche Grundhaltungen vertreten. Und die sich der Herausforderung und der Verantwortung, an solcher Lage ein Lokal zu betreiben, sehr wohl bewusst sind.» Auch Koni Frei, der das Projekt initiiert hat, sind die Grösse und die Heterogenität der Gruppe kein Handicap, sondern ein Plus: «Unser Team vereint beinahe drei Gastrogenerationen. Dadurch kennen wir auch die verschiedenen Bedürfnisse von älteren und jüngeren Gästen, von Büezern und Akademikern, von Schöngeistern und Szenis. Ihnen allen einen Treffpunkt zu bieten, sozusagen als real erlebbares Facebook, das ist unser Ziel.»

Das beste Brot der Stadt?

Klingt ambitioniert. Aber – das belegen ein paar erste Zahlen und Fakten – auch ziemlich verheissungsvoll. Im Innenraum werden 75 Sitz- und 25 Barplätze entstehen, auf der Terrasse, die bis zum Helvetiaplatz-Brunnen reicht, finden 200 Gäste Platz. Konzipiert wird das Lokal bewusst offen und «transparent»; die Klientel soll zusehen können, wie Brote und Kuchen gebacken und Kaffeebohnen geröstet werden. Zuständig für diese Backwaren ist «John Baker» – also das innovativ-kreative Team um Jimmy Jung und Yves Spink, von dem es heisst, es habe in seiner Filiale am Stadelhofen das Brot nochmals neu erfunden.
Mit der Bäckerei und der Kaffeerösterei – ein kleiner, aber durchaus feiner Nebeneffekt – wird endlich auch ein Kern­anliegen des Quartieraufwertungsprojekts «Langstrasse Plus» eingelöst: Dessen vormaliger Leiter Rolf Vieli hatte sich nämlich mehr als zehn Jahre lang mit viel Aufwand, aber leider mässigem Erfolg darum bemüht, dem Kreis 4 wieder solches Kleingewerbe zuzuführen
Wie die Inneneinrichtung und das Mobiliar aussehen werden, ist gemäss Yves Spink noch nicht bis ins Detail bestimmt, auch der passende Name für die Cafébar muss noch gefunden werden. Anderes jedoch ist bereits klar wie Berg­luft. Etwa die Betriebszeiten. Maurer sagt, man werde ganzjährig sieben Tage die Woche geöffnet haben. «Ausser am Samstag und Sonntag beginnen wir um sieben Uhr morgens, unter der Woche dauert der Betrieb bis Mitternacht, am Wochenende bis maximal zwei Uhr.»
Unmissverständlich ist auch das Bekenntnis zum kulinarischen Zeitgeist: Geschäftsführer Geiges betont, man werde von der Backstube über die Küche bis hin zur Rösterei nur «qualitativ hochwertige und vorab biologische Produkte» verarbeiten. Statt auf Mittag- und Abendmenüs setzt man auf eine abwechslungsreiche, aber überschaubare Karte; deren Angebot wird durch die Produkte der Bäckerei ergänzt. Zudem soll ein Take-away eingerichtet werden.
Hätten wir noch das Kulturprogramm, das Koni Frei mit einem alten Weggefährten, dem Buchautor und Journalisten Gian Trepp, kuratiert. Dabei wollen die zwei Alt-68er einen Fokus auf Talk­runden legen, in denen «relevante Protagonisten über quartier- und stadtpolitische Themen debattieren».

Der Lärmproblematik bewusst

Damit wäre verkündet, was bekannt ist. Doch zwei Fragen sind da noch. Einerseits jene nach den finanziellen Aspekten des Unternehmens. Wie meist, wenn es ums liebe Geld geht, hüpft auch diesmal das lächelnde Schweigen von Gesicht zu Gesicht in der Runde, dann aber sagt Frei unversehens: «Ganz ehrlich – auch wenn wir wollten, könnten wir heute noch keine seriöse Zahl nennen.»
Von der Aktualität her wichtiger ist die zweite Frage – jene nach der Lärmbelastung. Dass Teile der Quartierbevölkerung gerade an Wochenenden darunter leiden, weiss man nicht erst seit der kürzlich gegründeten Protestgruppe der 115 Anwohner. «Wir verstehen die Anliegen der Gruppe, wir nehmen das ernst und sind jederzeit offen für Gespräche. Da wir in unserem Café aber bewusst kein Clubprogramm veranstalten, denke ich auch nicht, dass es diesbezüglich zu Problemen kommen sollte», so Maurer. Gewisses Indiz dafür sei auch die bisherige Resonanz seitens der Marktfahrer und aus dem Quartier, notabene gerade von älteren Menschen: «Sie freuen sich, dass auf dem bedeutenden Platz endlich ein Café entsteht.» Oder um es urbanpoetisch zu formulieren: «uf en Zvieri» mitten im Vieri!
 
Quelle: Tagesanzeiger
Bild: Sabina Bobst

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