"Zwängerei" hat auch Nicht-Raucher erreicht

Das klare Nein zur Initiative zum Schutz vor Passivrauchen überrascht selbst die Gegner. Für Politologe Lukas Golder hat das Reizwort «Zwängerei» eine entscheidende Rolle gespielt.

«Radikal», «Einschnitt in die persönliche Freiheit», «Zwängerei»: Mit diesen und anderen Schlagworten haben die Gegner der Passivrauch-Initiative in der Öffentlichkeit für ein Nein zum Volksbegehren der Lungenliga geweibelt. Mit Erfolg: Das Schweizer Stimmvolk hat das Anliegen mit über 65 Prozent Nein-Stimmen deutlich abgelehnt. «Der Nein-Seite ist es über die letzten Monate gelungen, die Schwachstelle der Volksinitative aus Sicht der Bevölkerung zu finden und im Abstimmungskampf als wirksame Botschaft anzuwenden», sagt Lukas Golder, Politologe beim Forschungsinstitut gfs.bern.

Die Schwachstelle sei in diesem Fall der Fakt gewesen, dass man gerade erst vor zwei Jahren mit dem Bundesgesetz einen Kompromiss gefunden habe. «Mit dem Reizwort ‹Zwängerei› haben die Gegner den Nagel auf den Kopf getroffen und konnten so auch Nichtraucher, Linke und Teile der Romands abholen», so Golder. Diese Fokussierung auf den Schwachpunkt sei das klassische Erfolgsrezept für den Gewinn eines Abstimmungskampfes – gerade wenn es um eine Nein-Kampagne zu einer Initiative gehe.

«National war der falsche Weg»
Bei den Initianten der Lungenliga schreibt man die klare Niederlage ebenfalls diesen Reizworten zu. «Statt um die Gesundheit der Gastromitarbeiter ging es in der öffentlichen Diskussion auf einmal nur noch um Freiheit und Verbote», sagt Barbara Weber. Ihnen sei es nicht gelungen, der gesundheitliche Schutz von bis zu 30 000 Gastromitarbeiter in den Vordergrund zu stellen. Dieser Meinung ist auch die Grüne Nationalrätin Yvonne Gilli. «Wir haben es nicht geschafft, den Leuten zu kommunizieren, was die Initiative für positive Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen gehabt hätte.» Die Bevölkerung habe die Vorlage am Schluss vielmehr als weitere Bevormundung angesehen.

Rückblickend glaubt Gilli, dass der Weg über eine nationale Initiative sowieso falsch war. «National ist es unglaublich schwierig, gegen die starke Lobby der Tabak- und Alkoholindustrie zu bestehen», so die Ärztin. Womöglich wäre es deutlich einfacher gewesen, das Anliegen in den einzelnen Kantone zum Erfolg zu bringen. «Allerdings wäre es jetzt wohl der falsche Zeitpunkt, kantonale Initiativen zu starten.»

In Kantonen waren Stimmende wohlgesinnt
Für die Aussage, dass die Lungenliga wohl über den kantonalen Weg mehr erreicht hätte, sprechen die bisherigen Abstimmungsresultate. So waren die Stimmenden in den Kantonen den Rauchverboten bisher durchaus wohlgesinnt. Als erster Kanton führte das Tessin 2007 ein Rauchverbot in Restaurants und Bars ein, nachdem das Volk im Frühjahr 2006 dazu mit 79 Prozent Ja gesagt hatte. Es folgten weitere 15 Kantone, in denen das Volk an der Urne über das Rauchverbot entschied, in einigen auch mehrmals. Die Mehrheit für ein Rauchverbot fiel in der Regel solide aus.

Quelle: 20min.ch

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