Die Konsumenten haben genug von Weihnachten im Herbst

Bereits gibt es wieder Zimtsterne zu kaufen. Dabei haben noch nicht einmal überall in der Schweiz die Herbstferien begonnen. Die Detailhändler können nicht anders, aber die Kunden nerven sich.

Rolltreppe runter, am Lauch vorbei, und schon lacht er einen an, der Weihnachtsmann auf der Guetslidose. In der Migros City in Zürich hat die Weihnachtszeit begonnen – just zum Herbstferienbeginn. Auch bei Coop gibts jetzt wieder Zimtsterne, Brunsli und Mailänderli. Und nur drei Tage nach Saisonschluss im Seebad Utoquai schmücken sie im Globus den Christbaum. Motto: Marie Antoinette. Gar nicht fröhlich macht das Susan Gasser. Sie hat am Dienstagnachmittag auf der Facebook-Seite der Migros gegen den Advent im Oktober protestiert: «Bitte beachtet doch, dass die Jahreszeit nach Sommer der Herbst ist, und nicht Weihnachten!» Gestern Abend hatten über 17’000 Nutzer den Beitrag positiv bewertet und über 1000 Kommentare hinterlassen. Das Thema bewegt.

Die Migros begründet den frühen Start beim Verkauf von Lebkuchen und Ähnlichem mit einem Kundenbedürfnis: «Wenn es langsam dunkler wird, scheint der Mensch weihnachtliche Gefühle zu entwickeln», sagt Sprecher Urs Peter Naef. «Wir kommen diesem Umstand mit unserem Sortiment entgegen.» In ihrem Facebook-Beitrag lässt Susan Gasser dies nicht gelten: «Ich möchte das nicht!» Sie könne das zu frühe Auftauchen zwar ignorieren, ihren Kindern gelinge das jedoch nicht. Und das habe Folgen: «Für sie wird Weihnachten nur noch etwas Spezielles sein, wenn ich bis dahin alle Läden konsequent ohne sie besuche.» Und das stimme sie, als «Migros-Kind», dann doch traurig.

Lametta und Tannenzweige
Das Ziel von auf Lametta und Tannenzweige gebetteten Süssigkeiten sei es, die Konsumenten in Stimmung zu bringen, sagt Konsumpsychologin Mirjam Hauser vom Gottlieb-Duttweiler-Institut. «Das Problem ist, dass diese Aktionen zum Selbstläufer geworden sind.» Während man früher den Kunden einen Monat Zeit gab, um in festliche Stimmung zu kommen, dauert der Countdown für die Heilige Nacht inzwischen fast drei Monate lang. «Die Warenhäuser befinden sich in einem Teufelskreis», sagt Hauser. Keiner würde sich getrauen, später als die Konkurrenz mit dem Verkauf von Weihnachtsartikeln zu beginnen. Auch andere Produkte seien immer früher erhältlich: Spargeln an Neujahr, Erdbeeren im Februar. Gemäss Hauser ärgerten sich aber immer mehr Kunden über Saisonales in der Nebensaison.

Die Migros hat gestern Abend auf die im Internet tausendfach geteilte Kritik reagiert. Um solch ehrliches Feedback zu bekommen, gebe es die Dialog-Möglichkeit auf Facebook, Migipedia und Twitter. Schliesslich wolle man nur anbieten, was sich die Kunden wünschten, sagt Urs Peter Naef. Für jeden Klick auf den «Gefällt mir»-Knopf auf Facebook und sämtliche Kundenrückmeldungen will die Migros deshalb ein Guetsli-Päckli an Kinderheime in der ganzen Schweiz spenden.

«Starttermin entspricht dem Kundenbedürfnis»
Bei Coop beginnt Weihnachten offiziell in der Kalenderwoche 45, also rund einen Monat später als bei der Migros. Nur in der Stadt Zürich sei man etwas früher dran, sagt Sprecherin Sabine Vulic. Ein Wetteifern im Detailhandel finde jedoch nicht statt: «Der Starttermin entspricht einem Bedürfnis der Kunden.» Manors Startschuss für Weihnachten fällt traditionellerweise am 16. November. «Ab dann erstrahlen alle Schaufenster in weihnachtlichem Lichterglanz», sagt Sprecher Alexandre Barras. Einzelne Abteilungen würden bereits etwas vorher auf Weihnachtsambiente umstellen, um die Hektik in den letzten Wochen des Jahres etwas zu entschärfen.

Bei Globus ist man gemäss Sprecher Jürg Welti am 1. November «voll parat». Mit dem Aufbau beginne man jetzt, Adventskalender und Deko-Utensilien seien bereits erhältlich. Bei kühlen Temperaturen und schlechtem Wetter sei dies kein Problem. Wenig Verständnis für solche Auslagen zeigten die Kunden höchstens bei 25 Grad im Schatten. Welti betont die Wichtigkeit des Weihnachtsgeschäfts: «Stimmen die Monate November und Dezember, stimmt der Jahresumsatz.» Beim Möbelhaus Interio schliesslich beginnt der Verkauf von Weihnachtsartikeln bereits Mitte Oktober. Laut Marketingleiterin Eveline Jakob mit Erfolg: «Kunden brauchen Zeit für die Inspiration und machen sich bereits früh Gedanken über die Weihnachtsdekoration.» Nach dem ersten Ansturm flache die Nachfrage ein wenig ab und steige Mitte November wieder an, wenn die Adventszeit unmittelbar bevorstehe.

Es zählt allein der Umsatz
Ob jemand Freude oder Frust empfinde beim Anblick von Weihnachtskugeln und Christstollen im Herbst, hänge von dessen grundsätzlicher Einstellung zu den Festtagen ab, sagt Marketingexperte André Briw von der Hochschule Luzern. Verbinde man mit dem Heiligen Abend primär Familienkrach oder Einsamkeit, möge man in den Läden nicht immer früher an Weihnachten erinnert werden. «Wer den Anlass liebt, ist weniger kritisch.»

Es sei zudem verständlich, dass Geschäfte, die sich etwa auf Spielwaren spezialisiert haben und die Hälfte des Jahresumsatzes um Weihnachten generieren, früh auf Plüsch-Rudolf mit der roten Nase setzten. Die Geschäfte wüssten genau darüber Bescheid, wie die Kunden auf verschiedene Sortimente reagieren. «Würde es nicht genügend Umsatz generieren, verzichtete niemand freiwillig auf die Fläche, welche die Zimtsterne im Laden einnehmen.»

André Briw rät einzig davon ab, schon jetzt die Konsumenten mit Weihnachtsliedern aus den Lautsprechern zu berieseln. Und auch der Weihnachtsmann habe im Oktober zwischen den Gestellen noch nichts verloren. Als Nachteil der künstlich verlängerten Weihnachtszeit betrachtet Briw den Umstand, dass so dem Kunden bereits drei Monate vor Silvester vermittelt wird: «Und schon wieder ist ein Jahr vorbei.»

Quelle: tagesanzeiger.ch

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