«A point» in der Noerd Kantine

Es sei nun an der Zeit, dachten der Vegetarier und der Carnivore. Nach all den Kantinen, die in der Gastro-Superleague für Ersatzbank stehen, nun doch einmal angemessen zu dinieren.
Vor geschulten Kellnern Begriffe wie «Provenienz» oder «Abgang» hochzustapeln und hinterher die fette Rechnung zu begleichen. Im Wissen, dass die Kostenstelle diese übernehmen wird. Es kam anders. Es kam der Kollege. Der behauptete, die Noerd Kantine sei die beste der Welt.
Best of Swiss Gastro habe der gerade einen ersten Preis verliehen. Leer schlucken. Für Nicht-Freitag-Taschen-Träger: Das Noerd ist der Ort, wo Zürichs trendigstes Exportgut neuerdings genäht wird, nachdem die Freitags aus dem Kreis 5 weggentrifiziert worden sind. Für City-Menschen: Das «Gewerbehaus der Kreativen» liegt zwar ein halbes Mittagessen entfernt (20 Minuten per Velo vom HB), die Reise aber lohnt sich. Allein schon, weil sich in Neu-Oerlikon Horizonte öffnen. Weil dort keiner von Zürichs Hausbergen die Sicht einschränkt. Diese Weite, man wähnt sich in einer anderen Stadt. Das beflügelt auch die Nase. Es riecht nach Verkehr und Industrie – draussen vor der Tür. Drinnen im spartanischen Treppenhaus, da muffen auch am Dienstag die Plastikblachen der künftigen Freitag-Taschen. Chemische Gerüche, die, wenn man die Kantine mit «Zürichs schönstem Dachgarten» betritt, sofort ersetzt werden – durch Schwaden gebratenen Fleisches. Der Vegetarier behält das Nasenrümpfen bei. Der Carnivore denkt an Toilette und fragt sich, weshalb. Bis er begreift, dass die offene Küche mit Zürichs schönsten schwarzen Kacheln eingekleidet ist – denselben wie im WC des Volkshauses. Rohbaumässig wirkt der Raum mit den Holztischen. An diesen sitzen keine Krawatten, dafür Menschen, auf die man in der Bäckeranlage treffen könnte. Die Stimmung ist locker, die Atmosphäre angenehm, weil die Kantine nie auf Durchlauferhitzer macht. Man wartet, bis der Bildschirm das Nümmerchen zeigt. Und spätestens im Moment, in dem man das Menü abholt, ahnt man, weshalb das Noerd einen Preis erhalten hat.
 
Schöner anrichten kann man in einer Kantine wohl nicht. Dass man das Brot selber schneidet und sich der Streukäse wie selbst gerieben präsentiert, passt dazu. Die blöde Bemerkung des Vegetariers hätte es da nicht gebraucht. Ob sich der Carnivore zur richtigen Ernährungslehre bekehrt habe? Um Himmels willen, protestiert dieser. Fleischesser seien einfach die flexibleren Menschen, und wenn der Vegi nicht blind wäre, würde er die Schinkenstückchen in der rahmigen Tomatensauce mit Erbsen sehen. Das Maccaroni-Menü schmeckt, so gut es ist, dem Fleischesser eine Spur zu fade. Dafür schwärmt der Fasermann von seinem gebackenen Chevre über Kartoffeln und Herbstgemüse. Vom Essen her schafft es das Noerd in die Gastro-Super-League (oder es spielt im Gastro-Opernhausorchester, um Fussball-Metaphern zu vermeiden).
Und die Preise (36 Franken mit zwei Espressi) werden die Kostenstelle wohl kaum erschüttern.
Die Noerd Kantine bei Best of Swiss Gastro.
Quelle: Tages-Anzeiger

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