Das sind die elf wichtigsten Food-Trends des Jahres

Das Zicklein ist das Lamm von heute, der Grill das neue Küchen-Statussymbol. Hässliches Gemüse ist heiß begehrt, und Menüs sind von Anfang bis Ende süß. Was uns in dieser Food-Saison erwartet.
Gastromoden sind längst nicht so launisch wie die auf dem Laufsteg. Trotzdem gibt es jedes Jahr Neuigkeiten in den Supermärkten und Küchen dieser Welt. Mit der folgenden Liste sind Sie bestens ausgerüstet für den nächsten Einkauf, gehobenen Smalltalk oder Restaurantbesuch.
1. Indisch mal anders
Als das angesehene englische „Restaurant Magazine“ im vergangenen Jahr das „Gymkhana“ zum besten Restaurant im Königreich erkor, hagelte es Proteste. Ein „Inder“ als bestes Restaurant? Das sollte wohl ein Witz sein. Denn für die britische Allgemeinheit ist die indische Küche Teil des alltäglichen Speiseplans, gerne auch als Take-away, das man dann daheim direkt aus dem Styroporbehälter mampft. Dafür die in der Sterne-Gastronomie üblichen Preise zu zahlen, konnten sich die Briten nicht vorstellen. Doch mittlerweile hat sich die zwar geschmackvolle, aber doch deftige Küche emanzipiert, ist leichter geworden und liefert nicht erst seit Curry und Kurkuma Impulse für eine gehobene Weltküche.
Das musste sogar Helen Mirren in ihrer Filmtitelrolle als Restaurantinhaberin in Lasse Hallströms Rührstück „Madame Mallory und der Duft von Curry“ aus dem vergangenen Jahr einsehen. In London gibt es mit dem „Gymkhana“, „Benares“, „Trishna“ und „Tamarind“ mittlerweile schon vier Sternerestaurants mit indischer Küche. In Singapur wurde vor drei Wochen übrigens das „Gaggan“ in Bangkok von der „Asia’s 50 Best-Restaurants“-Jury zum besten Restaurant des Kontinents gekürt. Dort serviert man selbstverständlich eine mit modernen Effekten aufgefrischte indische Küche.

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Inspiration für den aktuellen Hype um indische Küche ist der Film „Madame Mallory und der Duft von Curry“
Foto: pa/obs/Constantin Film/Francois


2. Kontrolliertes Verwesen
Man könnte meinen, es gäbe einen Wettlauf darum, wer das am längsten in Trockenreifung abgehangene Steak serviert. Bislang lagen die Werte irgendwo zwischen 28 und 42 Tagen. Doch das ist schon lange nicht mehr genug. Im „Noma“ in Kopenhagen werden ganze alte Milchkühe für sechs Monate ins Kühlhaus gehängt. Ähnlich viel Zeit lässt sich James Cross im „Lake Road Kitchen“ im britischen Lake District. Er schwärmt von den Aromen der Steaks, die nach Trüffel, leicht Ammoniak-geschwängert und im Fett wie Blauschimmelkäse und nach Umami schmecken.
Die Technik beschränkt sich mittlerweile nicht mehr nur auf Rindfleisch. Wiederum das „Noma“ servierte bei einem Gastspiel in Japan seinen dortigen Gästen eine drei Wochen lang abgehangene Ente. Der Schweizer Metzger Ludwig Hatecke aus dem Engadin lässt auch seine Lamm- und Schweinerücken trockenreifen. Im angesagten Londoner Restaurant „Lyles“ im Stadtteil Shoreditch hängen jetzt sogar Seezungen und Steinbutte eine Woche lang in einer trockenen Salzreifekammer. Das klingt fast schon wie eine späte Wiedergutmachung an den Fischhändler aus den Asterix-Comics namens Verleihnix.
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Aufgehängt: Fleisch in Trockenreifung soll ein intensiveres Aroma garantieren
Foto: Getty


3. Zicklein
Was passiert eigentlich mit den männlichen Zicklein, die bei der Aufzucht für die wachsende Ziegenmilchindustrie für die Erzeugung von Käse, Joghurt und laktosefreier Milch nicht gebraucht werden? Für den Kükenschredder zu groß, werden sie angeblich eingeäschert. Man möchte es nicht so genau wissen. In die Supermarkttheken schafft es das Fleisch jedenfalls nicht. Nun haben sich einige Jungköche des Problems angenommen. James Ferguson, Koch im Londoner Restaurant „Beagle“, bezieht seine Zicklein von einem Bauern, der sie in den Milchbetrieben abholt. Zickleinfleisch ist von feinerem Geschmack als Lamm und ist besonders gut, wenn es geschmort oder sieben Stunden auf dem Spieß gebraten wurde. So gesehen drängt es sich geradezu für die neue Langzeitgarküche auf, wie sie in der „Markthalle Neun“ in Berlin angeboten wird.
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Männliche Zicklein sollen nicht umsonst sterben, ihr Fleisch findet sich etwa auf der Speisekarten des Londoner Restaurants „Beagle“
Foto: Getty Images/age fotostock RM


4. Grillworks
Mein Pacojet, mein Sous-vide-Garer, mein Thermomix – das war einst der Dreiklang eines stolzen Küchenchefs. Lang ist es her. Wenn man heute sieht, welches hochmoderne Küchengerät die Köche stolz auf Instagram posten, dann handelt es sich wie beim Belgier Kobe Desramaults aus dem „In de Wulf“ im Dranouter um Apparaturen, die archaischer nicht aussehen könnten: Thekenlange Grillvorrichtungen, an denen gleichzeitig über verschiedenen Hölzern und auf verschiedenen Temperaturen gegart werden kann. Mit ausgelöst hat den Trend das baskische Restaurant „Asador Etxebarri“, in dem der grillverrückte Koch sogar Rührei, Austern und Kaviar über der offenen Flamme zubereitet.
Das Restaurant in den Bergen bei Bilbao ist zur Pilgerstätte für ambitionierte Jungköche geworden. Zu dem Trend gibt es natürlich auch schon die passende Hardware. Die mit großem Schwungrad höhenverstellbaren Edelstahlgrille der amerikanischen Firma Grillworks sind die neuen Ferraris der „open-flame“-Bewegung. Die Geräte, die gleichzeitig als Blickfang in den neuen offenen Küchen fungieren, stehen schon im New Yorker Dreisternerestaurant „Blue Hill at Stone Barns“ und im Londoner „Chiltern Firehouse“ von Hotelmogul André Balazs. Hier wird Brutzeln zur archaischen Kunstform erhoben.
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Grillen vor den Augen der Gäste – längst ein Trend
Foto: Grillworks Inc.


5. Misfits Ugly Vegetables
Die Vorsilbe heirloom tragen in den Vereinigten Staaten Gemüse, die etwas knorriger aussehen, so wie früher. Heirloom heißt so viel wie Erbstück, als kämen die Gemüse noch aus Omas Garten. Schon die eigentlich längst gängige Ochsenherz-Tomate bekam diesen Präfix verpasst. Aus dem Gewächshaus kam sie trotzdem. Nun haben sich die zwei Berlinerinnen Lea Brumsack und Tanja Krakowski in ihrem „Misfits“-Café den Gemüsen angenommen, die so hässlich sind, dass man sie früher entsorgt hätte. Die dreischwänzigen Karotten und verdrehten Petersilienwurzeln gerieten nicht in den Handel – wohl auch, weil sie schwerer zu schälen sind. Statt Mitleid mit den Aussätzigen zu empfinden, kann man sie nun einfach aufessen.
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Gemüse, das nicht der Norm entspricht, gibt es im Berliner „Misfits“-Café
Foto: Getty Images (3)


6. Fisch-Kaltschale
Eigentlich ein alter Hut, denkt man. Ceviche ist schließlich das peruanische Nationalgericht: Stückchen von rohem Fisch, die in Limettensaft, rohen Zwiebeln, Chili und Koriander kurz mariniert und mitsamt des Saftes dann gegessen werden. Doch Köche wie Virgilio Martínez Véliz, Südamerikas bester Koch, und Ferran und Albert Adrià in ihrem Restaurant „Pakta“ in Barcelona haben das Gericht zu einer fein säuerlichen Aromenbombe verfeinert, in der der Koriander durch aromatisiertes Öl ersetzt wird und für die „Leche de tigre“ genannte Marinierflüssigkeit statt Limetten auch mal Kumquats ausgepresst werden.
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Ceviche ist das peruanische Nationalgericht, bei dem roher Fisch in Limettensaft, Zwiebeln, Chili und Koriander mariniert wird
Foto: The Washington Post/Getty Images


7. Blumenkohl
Da wird sich der Grünkohl (oder „Kale“, wie man ihn in den USA nennt, wo er als Trendgemüse gilt) warm anziehen müssen. Blumenkohl, der weiße Cousin des Brokkoli, erobert als neues Superfood die Theken der Gesundheits-Delis. Wenn man ihn roh durch die Küchenmaschine jagt und in feinste Körnchen verwandelt, ersetzt er in der Lowcarb-Diät sehr eindrucksvoll Reis oder Couscous, als gekochter Stampf das Kartoffelpüree und als dicke Scheibe auf dem Grill oder in der Pfanne das Steak. Relativ arm an eigenem Geschmack, lässt sich der Blumenkohl mithilfe exotischer Gewürze in jede Richtung trimmen. Angebrannt entwickelt er jedoch einen starken Umami-Geschmack. Aromatisiert und unter einem Pinienzweig versteckt, schaffte es die Blumenkohlscheibe sogar auf die Karte des „Noma“.
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Der Blumenkohl macht dem Grünkohl Konkurrenz
Foto: Getty Images/StockFood


8. Vorkasse bitte
Gäste, die einfach zu Hause bleiben, sind für die Spitzengastronomie genauso zum Problem geworden wie welche, die für einen Abend gleich in mehreren Restaurants reservieren, um sich dann in letzter Minute entscheiden zu können. Deshalb hat es sich schon eingebürgert, bei der Reservierung die Kreditkartennummer aufzunehmen. In einem nächsten Schritt schlossen sich Hamburger Sternerestaurants zusammen, um eine Stornogebühr für „No-shows“ einzuführen.
Denn die Einkäufe sind schließlich gemacht, vieles in der Küche ist für den Abend schon vorbereitet und muss dann weggeworfen werden. Wer beispielsweise im Hamburger „Jellyfish“ nicht auftaucht, muss 50 Euro zahlen, im Restaurant „Haerlin“ werden 85 Euro berechnet – jeweils pro Nase. Darüber mag man sich als Gast echauffieren, aber wie die Realität für den Koch aussieht, rechnete der Chicagoer Grant Achatz vor, der in seinem Zweitrestaurant „Next“ nach Art der Lowcost-Airlines nicht umbuchbare Tickets vergibt: „Wenn von einem reservierten Vierertisch nur drei Gäste auftauchen, arbeite ich für umsonst.“
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Das Hamburger Restaurant „Jellyfish“ erhebt eine Gebühr für 50 Euro für nicht wahrgenommene Reservierungen
Foto: Pressebild.de/Bertold Fabricius


9. Alte Körner
Sie hatten sich gerade mit den südamerikanischen Gesundheitskörnern Quinoa und Amaranth angefreundet? Jetzt kommt das glutenfreie Teffgras aus Äthiopien. Die kleinen braunen Körner lassen sich einfach als Müsli mit Milch und Rosinen zubereiten. Sie sind reich an Kalzium, Eisen und Proteinen. Im Restaurant „Mugaritz“ im nordspanischen Errenteria werden die Körner wie Brunnenkresse zum Austreiben gebracht und als kleiner äthiopischer Steppensnack als Amuse gereicht. Auch aus Peru gibt es Neuigkeiten: Kaniwa heißt das Urgetreide aus dem Andenstaat, es wird gemahlen zu Broten verarbeitet und in Salaten und Suppen gereicht.
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Kresse als Amuse?
Foto: Getty Images


10. Algen
650 essbare Algensorten soll es allein an der britischen Küste geben. Meeressalat, Wakame und Kelp sind auch hierzulande schon bekannt (siehe „Welt am Sonntag“ vom 15. März). Seit die Kundennachfrage für dieses nachhaltige und gesunde Meeresgemüse steigt, hat sich das Seetangsammeln zu einem einträglichen Geschäft entwickelt. Auch in Galizien werden Algen in all ihren Formen gesammelt. Getrocknet oder in Salz eingelegt sind sie leicht zu verschicken und lassen sich durch Einweichen schnell wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzen.
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Über 650 Algensorten sind essbar
Foto: Getty Images


11. Dessertmenüs
Wer glaubt, sich von einem Ende zum anderen durch die Tortentheke zu schlemmen, sei auch eine Art Dessertmenü, liegt falsch. Denn das Dessert an sich emanzipiert sich von seiner Rolle als süßer Abschluss. Christian Hümbs aus dem Hamburger „Haerlin“, Patissier des Jahres 2014, servierte jüngst an vorgebuchten Terminen ein Aromenmenü, das von den ersten Grüßen aus der Küche über die Hauptgänge und schließlich zum Dessert die Genregrenzen aufhob. Denn in vielen Zutaten, zu denen auch Gemüse gehören, steckt eine gewisse Grundsüße. Kostprobe gefällig? Seine Amuse hieß „Rhababer, Petersilie, Verbene und Sauerteig“, die gegrillte Tomate kam mit Kardamom, Zartbitterschokolade, Ahorn-Balsamico-Jus und Wacholder daher.
Lieblingsmenue

Das Restaurant Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg serviert ein Menü mit süßen Komponenten in allen Gängen
Foto: Roland Magunia


 
Quelle: Die Welt
Bild: Getty Images/Blend Images

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