Restaurant-Gast lebt nicht vom Brot allein

Nur mit gutem Essen können sich Gaststätten nicht von den vielen anderen Einzelbetrieben und den Grossanbietern abheben.
Gutes Essen zu servieren, reiche nicht mehr, um mit einem Restaurant Erfolg zu haben, sagt der Gastronom Michel Péclard. Man müsse den Gästen zusätzlich ein «Erlebnis» bieten. An dieses Credo hält sich der Unternehmer, seitdem er in den 1990er Jahren in der Zürcher Innenstadt sein erstes Restaurant übernommen hat. So gibt es denn in einem seiner Speiselokale mitten in der Stadt keine Weinkarte; stattdessen suchen sich die Gäste im Keller des Restaurants, der jedem Château gut anstünde, eine Flasche aus. Nicht immer ist Péclard der Urheber solcher Ideen; vielmehr spioniert er regelmässig in ausländischen Metropolen, ob es dort Konzepte gibt, die vielleicht auch in Zürich auf Anklang stossen.

Fischers Fritz

Zum Unternehmen von Unternehmer Michel Peclard (links) gehört auch der Campingplatz Seebucht Wollishofen

 

Viele schlechte Rechner

Mit der Strategie, den Gästen stets etwas Neues zu bieten, hat Péclard ein Unternehmen mit 16 Mio. Fr. Umsatz und 140 Angestellten geschaffen. Acht Restaurants und Bars gehören zum kleinen Firmenimperium, wobei der neueste Ableger an der Bahnhofstrasse soeben den Betrieb aufgenommen hat.
Wenige Wirtschaftssektoren sind so hart umkämpft wie die Gastronomie, und wahrscheinlich ist bloss noch im Bausektor das Risiko des Scheiterns ähnlich gross. Dafür gibt es mannigfaltige Gründe. Obwohl die Leitung eines Restaurants eine überaus anstrengende Arbeit ist, gilt sie vielen immer noch als ein erstrebenswerter Traumberuf. Entsprechend hoch ist die Zahl der Quereinsteiger, die ohne solide Ausbildung in das Gewerbe vorstossen. Oft können sie sich bloss über Wasser halten, weil sie sich nur einen geringen Unternehmerlohn auszahlen und auf die Verzinsung des eingesetzten Kapitals verzichten. Vielen Betrieben hilft jedoch nicht einmal dies. Laut Angaben des Branchenverbandes Gastrosuisse macht rund ein Drittel der mittelgrossen Restaurants (Umsatz zwischen 551 000 Fr. und 1 Mio. Fr.) trotzdem Verluste.
Attraktiv ist die Gastronomie nicht selten auch für Migranten. Ihre Ausbildung wird in der Schweiz oft nicht anerkannt, so dass sie sich ein Betätigungsfeld mit niedrigen Eintrittsbarrieren suchen, und als solche gilt die Gastronomie. Weil viele Restaurants nicht lange überleben, gibt es zwar immer wieder Lokale, die zur Vermietung ausgeschrieben sind, was den Einstieg ins Geschäft tatsächlich erleichtert. Vielfach holt der raue Alltag die Unternehmer aber rasch ein. Häufig würden sich die Kleinunternehmer so sehr darüber freuen, dass sie ein Lokal gefunden und die ersten Umsätze erzielt hätten, dass darob die übrigen Aufwendungen, etwa für den Strom und die Sozialabgaben, vergessen gingen, sagt ein Unternehmensberater. Das führt die Betreiber dann direkt in den finanziellen Engpass, zumal sie häufig nur über wenig Eigenkapital verfügen.
Péclard scheint demgegenüber ein kühler Rechner zu sein. Er und sein Geschäftspartner Florian Weber geben sich zwar gerne als Frohnaturen, die nur aus Spass arbeiten. Beide halten sich aber eisern an einfache Prinzipien – Péclard beispielsweise setzt beim Umbau von Lokalen auf Bühnenbildner statt auf Architekten, weil Letztgenannte den Hang zur kostspieligen Selbstverwirklichung hätten – , und sie achten viel mehr auf Zahlen, als sie vorgeben. «Wir erstellen keine Budgets, aber Vorjahresvergleiche», sagt Weber. Immer am Zehnten des Monats analysiert er mit den Geschäftsführern der Betriebe die Ergebnisse und stellt sie den Vorjahreswerten gegenüber. Abweichungen müssen die Leiter erklären. Das lehrt sie laut Weber, mit Zahlen umzugehen.
Dogmen gibt es dabei nicht. So gilt in der Gastronomie beispielsweise, dass die Warenkosten im Durchschnitt 30% des Umsatzes eines Betriebes ausmachen und die Personalausgaben 50%. Viele Wirte hielten sich stur an diesen Raster, sagt Weber, und seien bereits zufrieden, wenn sie die Schwelle nicht überschritten. Dabei könne man mit Kreativität an diesen Werten schrauben. Nur müsse man dafür manchmal scheinbare Gewissheiten infrage stellen.
Diese Flexibilität hilft auch, gegen dominante Anbieter zu bestehen. Druck kommt in der Gastrobranche nämlich auch von ihnen, und nicht bloss von den vielen Einzelbetrieben. Grossfirmen wie Migros, Coop und die SV Group lancieren in der Schweiz immer wieder skalierbare Gastrokonzepte – teilweise als Lizenznehmer eines ausländischen Anbieters.

Rasch reagieren

Péclard beschreitet demgegenüber einen anderen Weg. Er bekomme zwar viele Anfragen, Restaurants zu übernehmen, lehnt in der Regel aber ab. Ihm und seinem Geschäftspartner Weber sei es wichtig, den Betrieben täglich einen Besuch abzustatten. Bei Standorten ausserhalb Zürichs ginge das nicht mehr. Diese Nähe zum Alltagsgeschäft macht es auch möglich, rasch zu reagieren, wenn etwas nicht wie gewünscht läuft. Glutenfreie Produkte beispielsweise wurden in einem jüngst eröffneten Betrieb unverzüglich wieder aus dem Sortiment geworfen, nachdem es sich gezeigt hatte, dass sie bei den Kunden nicht auf Anklang gestossen waren.
Ganz anders verhielt es sich bei der Idee, rohes Gemüse (Crudités) statt Salat als Vorspeise anzubieten. Péclards Köche lehnten diesen Vorschlag zuerst vehement ab, bei den Gästen kam dieser Gang allerdings gut an. Offenbar scheint heutzutage selbst das Kauen von Gemüse für die Stadtmenschen die Art von Erlebnis darzustellen, die Péclard im Geschäftsalltag ständig sucht.
Quelle: nzz.ch
Bild: Christian Beutler /NZZ
Autor: Daniel Imwinkelried

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