Talk mit Jann Hoffmann

Seit fünf Jahren führt Jann Hoffmann zusammen mit seinem Geschäftspartner Stefan Iseli das Restaurant Café Boy in Zürich. Wir unterhielten uns mit ihm über Fleischportionen, über Gemüse als neue Herausforderung. Und über den Wunsch, noch näher ans Produkt zu gehen.

 
Du bist seit über 20 Jahren Koch. Was treibt Dich an, Tag für Tag wieder mit Freuden an den Herd zu stehen?
Als junger Koch waren es mehr die verrückten Kreationen. Je länger ich koche, desto wichtiger ist das gute Produkt. Und ich frage mich zuerst, wie ich ein Produkt gut zubereiten kann. Wer meinen Stil kennt, weiss, dass ich dabei immer mehr reduziere: Drei, vier perfekte Geschmäcker, das genügt mir.
Nach welchen Kriterien wählst Du denn Deine Produkte aus?
Am liebsten habe ich natürlich, wenn sie von da sind. Mit da meine ich aber nicht zwingendermassen aus der Region. Es darf auch ein Produkt aus Europa sein. Aber natürlich decken wir einen Grossteil von Gemüse und Fleisch aus der Region ab.
Wie wichtig sind Labels wie Bio?
Beim Fisch achte ich schon darauf, weil ich da nicht nahe dran bin, die Produzenten oft nicht kenne. Aber bei Käse, Fleisch, Gemüse ist mir die Bezugsquelle, der Produzent wichtiger als ein Label. Wir versuchen mit gesundem Menschenverstand zu agieren. Wo wir uns engagieren können, machen wir das.
Wie gehst Du denn das an, neue Produkte zu finden?
Es kommt viel auf mich zu. Früher hatte ich einfach oft keine Zeit, mich überhaupt mit neuen Produkten auseinanderzusetzen, heute habe ich mehr Freiheit, weil ich ein tolles Team in der Küche habe. Bis ein Produkt funktioniert im Café Boy, bis es vor dem Gast ist, brauche ich unter Umständen viel Zeit und es kann mich auch viel Geld kosten.
Kannst du ein Beispiel geben?
Das Kuhfleisch von Patrick Marxer von Das Pure etwa. Es ging darum, Fleisch von alten Milchkühen so zu veredeln, dass es auch etwa als Entrecôte serviert werden kann. Patrick und ich brachten Ideen ein, wir haben verschiedene Zubereitungsarten ausprobiert. Die Kosten haben wir uns geteilt – gerade bei Fleisch ist so ein Prozess nicht günstig. Oder die Bergkartoffeln von Freddy Christandl: Ich fand sie auf Anhieb toll und integrierte sie sofort in Mittagsmenus. Bis ich aber soweit war, dass wir sie in die Abendkarte nehmen konnten, hat es lange gedauert. Wir mussten erst ausprobieren, wie man etwa Gnocchi macht mit diesen Kartoffeln, die trockener sind als herkömmliche – das Resultat ist jetzt natürlich super.
Wie sind die Reaktionen von Gästen auf solche Produkte?
Gerade die Bergkartoffeln und das Kuhfleisch waren in letzter Zeit sehr häufig in der Presse und die Gäste erkennen dann auch, was sie auf dem Teller haben. Aber es gibt doch oft auch Gäste, die dann fragen, warum so simple Produkte so teuer sind.
Der Vorteil bei euch ist sicher auch, dass ihr im Café Boy eng mit dem Service zusammenarbeitet, da Stefan Iseli, Dein Geschäftspartner, ja an der Front ist.
Genau. Der Service muss solche Produkte sehr gut verkaufen. Etwa auch beim Kuhfleisch. Wir hatten auch schon Gäste, denen das Kuhfleisch überhaupt nicht geschmeckt hat. Seither weisen wir die Gäste noch intensiver daraufhin, was der Unterschied ist zu Rindfleisch.
Eine Spezialität von Dir ist ja auch einheimisches Wild. Da sind offenbar auch Deine Bündner Connections im Spiel.
Ja, ich bin ja im Bündnerland aufgewachsen und kenne dort Jäger. Also hole ich dort oft selber ganze Tiere, die ich dann zerlege. Mein Vater hatte eine Zimmerei und einen kleinen Bauernhof. Bei uns standen oft Wäschezeinen mit Fleisch drin rum. Ich habe immer noch die Fleischsäge von meiner Mutter. In der Lehre musste ich auch Tiere zerlegen. Und so ist das nach wie vor ein Handwerk, das ich gerne mache.
Aber viele Köche klagen doch, Schweizer Wild sei schwierig zu bekommen.
So schwer ist es nicht. Aber halt aufwändig. Die Tiere zu zerlegen, das kostet Zeit. Gemsen jedoch sind recht einfach zu schiessen und die kriegt man auch.
Wie wichtig ist denn Fleisch essen für Dich?
Ich habe schon recht reduziert. Früher machte ich für mich schon mal ein 600-Gramm-Côte-de-Bœuf, dazu etwas Wein, Meersalz, Olivenöl. Danach ging ich um 23 Uhr noch in den Ausgang. Heute bin ich etwas gesättigt, das hat mit wollen und können zu tun. Jetzt muss es fein sein, aber nicht mehr so viel.
Und welchen Stellenwert hat Gemüse in Deiner Küche?
Wir hatten immer schon vegetarische und auch vegane Gerichte, und das wird immer mehr. Was auffallend ist: Die Fleischmengen werden generell kleiner. Früher war eine Portion Fleisch 200 bis 250 Gramm, heute ist das weniger – wir sind jedoch weit weg von Makroportionen, also bei einem Hackbraten muss man immer noch satt werden. Aber die Herausforderung ist heute schon auch, etwa eine geilen Spinat zu kochen.
Macht Dir das Spass?
Ja, auf jeden Fall. Heute habe ich auch Freude dran, selber Knäckebrot zu backen. Oder Magenbrot, das wir zum Kaffee geben. Sachen selber machen, die man sonst fertig kauft, das ist interssant. Nach wie vor toll finde ich aber auch, etwa günstige Fleischstücke zu veredeln.
Bekannt bist Du ja auch als Radiokoch. Immer freitags hört man Dich auf SRF3 chocht fein, einer Sendung, die von Betty Bossi gesponsert ist. Was bringt Dir das?
Ob wir hier effektiv mehr Gäste haben, kann ich nicht sagen. Aber es bringt schon einen gewissen Bekanntheitsgrad. Es ist ein guter Job, gut bezahlt, und ich kann es gut nebenbei machen. Betty Bossi bereitet viel vor, ich kann darum den Arbeitsaufwand sehr gut abschätzen.
Nach fünf Jahren seid ihr hier im Café Boy so richtig etabliert und angekommen. Du hast vorhin im Gespräch gesagt, dass ihr das auch noch eine Weile machen möchtet und sehr zufrieden seid. Gibt es eine Vision, einen Wunsch, den Du daneben noch hast?
Ich würde gern noch näher ans Produkt gehen. Eben, ich bin im Bündnerland aufgewachsen, mit Garten. Im Restaurant Taggenberg, wo ich arbeitete, hatte es auch einen grossen Garten. Das hat mich immer fasziniert. Also so ein eigenes Landgut, das wäre schon noch toll. Ich habe jetzt immerhin schon mal privat einen Garten, wo ich diesbezüglich erste Gehversuche mache!
Danke Jann und weiterhin viel Spass beim Kochen!
Quelle: FreaksforFood
Bilder: Esther Kern, waskochen.ch

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