Wie vegan ist Wein?

Neben «bio», «Naturwein» oder «Orange»-Wein macht von sich in letzter Zeit auch immer öfter das Wort «vegan» reden. Doch was bedeutet der Überbegriff der Fleischlosigkeit im Zusammenhang mit Wein, diesem vergorenen Traubenmost?

Es wäre gewiss einfach, doch auch die Welt der Weine ist keine schwarz-weisse. Viele Grautöne bereichern oder beschatten das scheinbar simple Kulturgetränk, das Wein als Resultat der Vergärung von Traubenmost nun mal ist. Warum findet der Weinfreund also auf dem Rückenetikett einiger Tropfen das «vegan»-Logo? Sollte Wein nicht automatisch vegan sein, Trauben und Reben sind ja wahrlich nichts Tierisches?

Nicht immer so schön

Trauben sind nicht gleich Trauben. Selbst wenn ein Weiss- oder Rotwein äusserlich kaum von einem anderen zu unterscheiden ist – der Teufel steckt im Detail. Wie der Winzer im Weingarten arbeitet, welche Bedingungen ihm das Wetter des Jahrgangs beschert und viele weitere Faktoren bestimmen die Qualität der Trauben. Mengen, wirtschaftliche Überlegungen und das Zielpublikum spielen natürlich auch ihre ganz eigene, nicht zu vernachlässigende Rolle. So steht also am Anfang der Weinbereitung, vor den Kellertüren gleichsam, ein Grundmaterial, dessen Güte von Top bis Flop reichen kann.

Lese Ausbruch im 2014

Topmaterial verlangt zwar höchsten Arbeitsaufwand in den Weinbergen, im Keller darf der (Top)Winzer seinen Wein als Belohnung aber gewähren lassen. Gewiss, ohne kellertechnische Massnahmen (Pressen, Kühlen, die Wahl der Gebinde und ihrer Beschaffenheit, Länge und Art der Reifung, das Ausmass an Filtration oder Schwefelung entsprechend der Philosophie des Weinguts, etc.) entsteht kein Wein. Doch je besser der Rohstoff, desto weniger Manipulation ist vonnöten. Das gilt vice versa genauso und hier kommt die sogenannte «Schönung» ins Spiel. Unterschiedliche Mittel helfen hierbei, den Wein biochemisch zu stabilisieren und von Schwebeteilchen und Trübstoffen zu befreien. Der Weinmacher geht in diesem Fall eben auf Nummer sicher. Der Wein ist dann zwar klar wie ein Bergsee, hat aber zwei Probleme: einerseits entziehen die Schönungsmittel ihm auch einen Teil seines Charakters, Nuancen von Aromen und Geschmacksstoffen. Auf der anderen Seite sind viele dieser Mittel tierischen Ursprungs: Eiklar, Gelatine, getrocknete Fischblase oder Kasein. Ganz klar: das «vegan»-Logo darf auf diesen Produkten nicht prangen. Vereinfacht könnte man also feststellen: je höherwertiger der Wein, desto weniger Schönung, desto veganer.

Überall Tiere oder was suchen Rinder im Weingarten

Wenn es nur so einfach wäre. Reben wachsen nun mal in einem Ökosystem, das natürlicherweise die unterschiedlichsten Organismen, ob Flora oder Fauna beherbergt. Insekten, Würmer, Nagetiere, Vögel etc. – sie alle sind in Weinbergen zu finden, von Rehen oder Wildschweinen ganz zu schweigen. Viele Winzer bedienen sich zudem der Hilfe von Nutztieren, um etwa den Humusaufbau zu fördern oder Erosion zu bekämpfen: Rinder, Pferde oder Schafe gehören für viele – insbesondere biologisch arbeitende Weingüter – zu verlässlichen Helfern.

Wie vegan ist Wein?

Kennen Sie Rudolf Steiner? Einige der besten Winzer der Welt folgen seiner biodynamischen Lehre, die eine ganzheitliche, sich selbst versorgende Land- und Hofwirtschaft propagiert. Bei dieser sind Tiere wie etwa Rinder unverzichtbar, denn sie sind Nahrungsquelle und Humuslieferant zugleich. Der Einsatz von Molke als Mittel gegen Pilzkrankheiten ist ebenso durchaus üblich. Auch hier könnte man (berechtigterweise?) die Frage nach dem Veganen stellen. Übrigens: wer solche Winzer als Esoteriker abtut – und auch dem Veganen haftet oft ein Schleier einer gewissen Holzpantoffelromantik an -, der sollte sich mal Listen der bekanntesten und teuersten Weingüter der Welt ansehen. Domaine de la Romanée Conti? Tja, seit geraumer Zeit der Biodynamie verpflichtet…

Orientierungshilfe

Wie soll sich der interessierte Weinfreund nun zurechtfinden? Weine aus industrieller Massenproduktion sind eher nicht vegan, das steht fest. Viele Bio-Weine tragen das «vegan»-Logo auf dem Etikett, was jedenfalls eine Weinbereitung im Keller ohne tierische Schönungsmittel garantiert. Und zahlreiche weitere Weingüter arbeiten im Keller ebenfalls vegan, ohne dies auszuzeichnen. Hier hilft nur Nachfrage beim Weingut oder beim Händler des Vertrauens. Bezieht der vegane Weinfreund jedoch das gesamte Ökosystem Weinberg hinzu, wird es zumindest argumentativ beinahe unmöglich. Doch das gilt nicht minder für Rüben, Kartoffeln oder Salat…

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Bildquelle: ET Triebaumer, Sabine Jackson

In der Hecke

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