Warum mancher bei Orange rotsieht

Kaum hat man dem Rosé einen Platz auf der Karte eingeräumt, hört man Sommeliers und Weinhändler schon vom nächsten Wein reden, den man da unbedingt draufhaben sollte: «orange wine». Was zum Teufel hat es damit auf sich?

WAS IST ORANGER WEIN?

Vereinfacht ausgedrückt ist oranger Wein Weisswein, der wie Rotwein produziert wurde. Sprich: Die Winzer vergären die weissen Trauben mit Schalen, Kernen und manchmal sogar Stielen. Diese Technik, Mazeration genannt, verleiht dem Wein mehr Gerbstoffe (Tannine), ein intensives Aroma und seine orange Farbe. Je nach Länge der Vergärung kann das Orange von hellem Gold bis hin zu Bernstein reichen, weshalb man diese Art Weine auch «amber wines» nennt.

«Oranger Wein ist nicht neu», sagt Tea Arvaj von «Amber Wines», die auf einem Weingut in Slowenien aufgewachsen ist und sich auf den Import oranger Weine spezialisiert hat. «Der Trend ist vielmehr die Wiederbelebung einer uralten Weinbautradition.» In Georgien habe man Trauben schon vor 8000 Jahren mazeriert. Damals überliess man den Wein in im Erdboden vergrabenen Amphoren (sogenannten Kvevri) der Maische- oder Spontangärung, und dies mehrere Tage, Wochen oder Monate. «Ohne Presse, mechanische Eingriffe, Filterung und vor allem ohne jegliche Zusatzstoffe wie Zucker, Hefe oder Sulfate.» Zum Schluss sei er in Fässer oder direkt in Flaschen abgefüllt worden, wo man ihn nochmals mehrere Monate oder Jahre lang lagerte.

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IST ORANGER WEIN NATURWEIN?

Heute werden neben Ton-Amphoren auch grosse Holzfässer, gebrauchte Barriques oder Glasbehälter verwendet. «Die meisten orangefarbenen Weine werden aber nach wie vor als Naturweine hergestellt», sagt die Zürcher Weinhändlerin Tea Arvaj. Weinbauern verzichten also auf Pestizide, chemische Pflanzenschutzmittel und Zusatzstoffe wie Schwefel. Und statt steriler Rein-zuchthefe verwenden sie zur Gärung natürliche und lokale Hefepilze, die auf den Trauben liegen. «Diese Art Produktion bedingt eine Menge Erfahrung, unglaublich viel Handarbeit und noch mehr Geduld.»
Das weiss auch Sven Hohl vom Weingut Rebhalde in Stäfa ZH. Er hatte bei den besten Winzern in Südfrankreich, Italien und Südtirol zehn Jahre lang Erfahrung gesammelt, bevor er 2017 auf dem Weingut seines Vaters Hansueli den ersten Wein auf der Maische vergor, damals noch in Fässern. Resultat: 100 Liter oranger Wein. Seit einem Jahr produziert er in Amphoren und kommt pro Jahrgang auf 500 Liter. Das ist immer noch eine Kleinstmenge, zumal man das Aroma im Gegensatz zu konventionellen Weinen nicht steuern kann und jeder Jahrgang anders schmeckt.

ORANGER WEIN – GUT ZU WISSEN
  • Farbe: von Gold über Orange bis Bernstein 
  • Serviertemperatur: 6 bis 8 Grad (bei hellem Wein), 10 bis 14 Grad
  • Alkoholgehalt: 10–12 Prozent
  • Passt zu: Vom Apéro-Plättli über Fisch- und Fleischgerichte bis hin zu Speisen wie Raclette.
  • Besonderheit: Die meisten orangen Weine sollte man vor dem Trinken schütteln oder zumindest kurz auf den Kopf stellen, damit sich die Hefe gleichmässig verteilen kann.
  • Preis: 17 bis 120 Franken
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WIE SCHMECKT ORANGE?

Für Hohl macht aber gerade das den Reiz von orangem Wein aus. «Wir wollen keinen Massenwein herstellen, der immer gleich schmeckt. Das finden wir langweilig», sagt der Winzer. «Unsere Weine sollen nach den Trauben schme-cken, die in diesem Klima auf diesen Böden gewachsen sind – und nach dem Jahr, in dem sie gewachsen sind.»
Während oranger Wein für Fans wie Tea Arvaj und Sven Hohl «viel komplexer, ursprünglicher, rustikaler und facettenreicher» ist als normaler Wein und ein Bukett hat, das sie an getrocknete Früchte, Sherry und Cognac-Noten sowie verschiedene Kräuter erinnert, halten ihn andere für ein Gesöff zwischen Suuser und Lebertran. Der Wein polarisiert.

WOMIT AM BESTEN BEGINNEN?

Klar ist: Lässt man sich auf orange Weine ein, eröffnen sich neue Geschmackswelten. Wenn auch ungewohnte. «Die Leute wagen oft dann einen Versuch, wenn man ihnen die Tropfen glasweise anbietet», sagt Sven Hohl, der regelmässig Tastings organisiert. Wer weder Zeit noch Geduld für Verkostungen hat, dem rät Tea Arvaj, «mit einem leicht mazerierten und nicht zu lange gereiften» zu beginnen; am besten von Joško Gravner, Saša Radikon oder Dario Prinčič. Diese Weinbauern aus dem Friaul seien Orange -wine- Pioniere und setzten heute noch Standards.

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TEXT MICHAELA RUOSS, FOTOS ZVG



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