Wer mit wem? Weinpaarungen neu gedacht.

Die Paarung von Wein und Gerichten ist keine exakte Wissenschaft. In diesem Fachbeitrag beschreibt der argentinische Sommelier und Koch Martín Alejandro Herrera drei Food-Bereiche und die aus seiner Sicht passenden Wein-Pairings. Zudem ermutigt er uns, neue Kombinationen zu wagen, die auf den ersten Blick gewagt erscheinen.

Die Kombination von Speisen und Getränken – von manchen auch Harmonisierung oder Heirat genannt – hat zum Ziel, beide Teile zu verstärken, damit bessere oder intensivere Geschmackserlebnisse möglich werden. Ich verstehe dieses Pairing so: Es ist ein Dialog, bei dem sich das Gericht und der Wein in unserem Gaumen unterhalten. Und zwar ohne sich gegenseitig zu verfälschen oder zu dominieren. Und wie in jeder guten Partnerschaft bereichert das, was jeder zu sagen hat, das Gespräch.

ZUERST DAS GRUNDSÄTZLICHE

Als Erstes gilt es, unsere Speisen und Weine kennenzulernen. Sprich: ihre Eigenschaften wahrzunehmen, um sie später ideal zu kombinieren. Beim Wein analysieren wir seine Süsse, Säure, Tannine, den Alkoholgehalt, die Intensität seiner Aromen und seinen Körper. Und bei den Gerichten müssen wir die Hauptzutaten kennen, die Art der Sauce, die Garnitur und die Kochmethoden. All dies bestimmt, wie das Menü auf den Tisch kommt. Dazu kommen noch einige weitere Regeln, z. B. regionale Paarungen: die Kombination der Weine und Lebens-mittel aufgrund ihrer geografischen Nähe, weil sie aus derselben Region stammen. Oder saisonale Vermählungen einschliesslich klimatischer Gegebenheiten. Also leichte und frische Weine für die heissen Monate, schwere und strukturierte Weine für die kalte Jahreszeit. Die bekanntesten Regeln für die Paarung von Speisen und Wein sind jedoch: Ähnlichkeit und Gegensätzlichkeit.

GLEICH UND GLEICH GESELLT SICH GERN

Beim Pairing nach dem Prinzip der Ähnlichkeit müssen sich Wein und Lebensmittel in Textur und Geschmack sehr ähneln, damit die gemeinsamen Attribute beider hervorstechen. Zum Bei-spiel leichte Gerichte wie Salate, dazu leichte Weine wie junge Weissweine oder ein Rosé. Bei schwereren Gerichten wie Fleisch mit Saucen kommen strukturierte, im Holz gereifte Rotweine zum Zug. Diese Paarungen kennen wir zur Genüge, und sie sind intuitiv leicht vorstellbar.

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… ODER DOCH LIEBER «GEGEN-SÄTZE ZIEHEN SICH AN»?
Oppositionspaarungen wirken auf den ersten Blick etwas seltsam. Weil wir nach Weinen und Speisen suchen, die sehr gegensätzlich aufgebaut sind. Die Idee ist, dass die Aromen und Texturen beider Teile ein Gleichgewicht im Gaumen er-zeugen. Zum Beispiel süss gegen salzig oder leicht gegen cremig. Diese Art von Vermählungen sehen wir zwar seltener, aber es sind explosive, elektrisierende Kombinationen, die lange in unserem Gehirn nachhallen.
Kommen wir zu einigen Paarungsideen, die uns dabei helfen, weniger bekannte Kombinationen von Gerichten und Weinen genussvoll zu maximieren.
 
1 KÄSE
KÄSE + WEIN = KUSS

«Vinos con queso saben a beso» (Käse mit Wein schmeckt wie ein Kuss)! Analysieren wir Wein und Käse gemeinsam, ähneln sie sich in ihrer Herstellung. Beide durchlaufen eine Fermentationsphase. Und sie werden durch Reifen verfeinert, um Aromen zu verdichten und Persönlichkeit zu gewinnen. Wir sprechen von Frischkäse oder reifem Käse ganz ähnlich wie von jungen, gereiften oder Reserve-Weinen. Es sind Lebensmittel mit vielen Parallelen. Eine der köstlichsten Paarungen ist m. E. die Kombination von Blau schimmel käse mit süssen Weinen. Cabrales, Roquefort, Stilton und Gorgonzola sind würzig, salzig und kraftvoll. Da sie so intensiv sind, ist der Schlüssel zur geeigneten Paarung, den umgekehrten Weg zu gehen. D. h. einen süssen Wein zu wählen, um den sehr intensiven Geschmack von Blauschimmelkäse auszugleichen. Eine Kombination, die es nach wie vor in sich hat! Süsse Weine gibt es viele. Aber welche Weinpaarungen funktionieren am besten? Auf der einen Seite gibt es botrytisierte Weine: hergestellt aus Trauben, die vom Schimmelpilz Botrytis cinerea befallen sind.

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Dieser trocknet die Beeren, konzentriert ihren Zuckergehalt und erzeugt komplexe Aromen. Dazu gehören Weine wie Sauternes, Tokajer oder Weine mit dem Prädikat Trockenbeerenauslese. Mit ihrer Süsse und ihrem gleichzeitig hohen Säureanteil sowie mit Aromen von Pilzen und Steinobstsirup bringen sie das Geschmackserlebnis bei der Kombination mit einem Blauschimmelkäse auf ein neues Niveau. Auf der anderen Seite stehen Likörweine, denen einige Tage nach Gärungs-beginn Alkohol zugesetzt wird, um eine ausgeprägte Restsüsse zu erhalten. So zum Beispiel beim Porto, insbesondere in seiner roten Version. Dank seiner Aromatik, Gerbsäure und Frische harmonisiert er sehr gut mit den erwähnten Käsesorten. Eine weitere gute Option ist ein Eiswein, bei dem die Trauben nachts und gefroren geerntet wurden, um eine hohe Zuckerkonzentration zu erreichen  – und seine reinere und frischere Frucht zu erhalten. Ein toller Kontrapunkt zum intensiven Käsearoma.

2 VEGETARISCH/VEGAN
WEIN-PAIRING FÜR GERICHTE OHNE TIERISCHES

Bei vegetarischen und veganen Paarungen sind die Garmethoden entscheidend. Unter anderem deshalb, weil der Einsatz von Gewürzen und Fett die Weichen stellt und Gemüse dadurch geschmackvoller wird. Ein Beispiel: Eine gekochte Karotte hat einen sehr milden und zurückhaltenden Geschmack, aber wenn wir sie grillieren, ändert sich ihre Textur, sie wird karamellisiert und bekommt rauchige Noten. Wenn wir eine Gewürzbutter mit Gewürznelken, schwarzem Pfeffer, Zimt und Anis hin-zufügen, definieren und verstärken wir den ursprünglichen Geschmack der Karotte neu. Eine neue Welt der Kombinationsmöglichkeiten tut sich vor uns auf. Zweifel betreffend Paarungen kommen bei den eher strukturierten Weinen, beispielsweise gealterten Rotweinen, auf. Denn bei deren Kombination mit vegetarischen oder veganen Gerichten denken viele, dass die Aromen von Gemüsegerichten beim Kombinieren mit robusten Weinen zu mild seien. Die Lösung: Den Gerichten Dichte, Geschmack (und Fett) verleihen, um die Tannine des Weins mit Olivenöl, Butter, gereiftem Käse oder Gewürzen zu begleiten. Auch das Spielen mit Kochtechniken kann hilfreich sein.

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FLEISCHIGERE AROMEN FÜR GEMÜSE

Auf diese Weise verleiht die Verwendung eines Grills den Gerichten eine «fleischigere» Aromendichte und Textur so-wie Raucharomen und Karamellisierung.

Dann passen grilliertes Gemüse und pflanzliche Proteine gut zu reiferen Weinen. Stellen Sie sich einen Spiess aus grillierten Auberginen, Peperoni, Zwiebeln und Seitan mit einer Barbecue-Sauce vor, begleitet von einem Cabernet Franc aus dem Uco-Tal in Argentinien. Oder einem Carmenere de Peumo aus Chile. Oder wie wäre es mit einem Bohnen-Burger mit Provolone-Käse, Getreidesenf und geräucherter Peperoni, gepaart mit einem Cabernet Sauvignon aus dem Napa Valley? Mir persönlich gefällt eine Kombination besonders gut: Auberginen-Parmesan mit Tomatensauce, dazu einen italienischen Rotwein wie Chianti oder Brunello di Montalcino. Die Komplexität und die Fruchtigkeit der Sorte Sangio vese sorgen für eine beeindruckende Fusion am Gaumen.
Eine andere Strategie, gut strukturierte Weine zu veganen oder vegetarischen Gerichten zu servieren, besteht darin, mit der Alterung des Weines zu spielen. Mit der Zeit in der Flasche verfeinern sich gewisse Eigenschaften der Weine und sie schmiegen sich viel weicher an unsere Gaumen. Auf diese Weise können wir – obwohl der Wein sehr kraftvoll ist – nach älteren Jahrgängen suchen, die mehr Eleganz und zarte Tannine aufweisen.

3 JAMÓN IBERICO
SO GENIESST MAN EINEN GUTEN IBERISCHEN SCHINKEN

Iberischer Schinken riecht nach Haselnüssen, Eicheln, Karamell, Holz, Toast, Pilzen, feuchter Erde, süssen Gewürzen und mediterranen Kräutern. Seine Textur ist weich und zart, wenn er in den Mund genommen wird, schmilzt sein Fett langsam – als wäre es eine mit Nüssen aromatisierte Butter. Dazu kommt ein Geflecht aus leicht rauen Texturen, die mit den Geschmacksknospen spielen. Die ganze Aromatik sorgt für einen langen Nachklang. Entgegen der landläufigen Meinung ist der Jamón Ibérico kein übermässig salziges Produkt, er hat sogar liebliche Untertöne, die perfekt mit dem zarten und erdigen Salzgehalt harmonieren.

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Der Tropfen für die perfekte Paarung mit einem iberischen Schinken – und auch meine Lieblingskombination – ist der Sherry Amontillado de Jerez. Wir riechen Trockenfrüchte sowie Hasel- und Baumnüsse, Kaffee, Tabak, Leder, Vanille, Gewürze, oxidierten Apfel und Noisette-Butter. Am Gaumen sind diese Sherry-Weine dank ihres hohen Alkoholgehalts und ihrer aromatischen Kraft trocken, kräftig und geschmeidig. Beide Produkte – Sherry und Schinken – vereinigen sich in Perfektion. Bezüglich Aromatik teilen sie viele Noten, die sich im Nachgeschmack noch verstärken. Das Fett des Schinkens verwandelt sich in Kontakt mit dem Amontillado regelrecht in eine aromatisierte Butter mit Nuancen aus Nüssen, Pilzen, Kaffee, Leder und süssem Tabak. Es ist ein grossartiges Beispiel dafür, wie zwei potenzielle Heiratskandidaten in einer sich verstärkenden Paarung Synergien schaffen und wir einzigartige Empfindungen, Texturen und Aromen entdecken, die bei der individuellen Verkostung des einzelnen Produkts nicht bemerkbar waren.

ÜBER DEN AUTOR

Martín Alejandro Herrera kommt ursprünglich aus Argentinien. Er ist gelernter Sommelier und Koch und amtet als Area Manager im Weingut von Familia Torres

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