Ein Drink an der Bar mit Patrick Zbinden

Patrick Zbinden, Sensoriker, Kulinarik-Fachmann; DRS3-Food-Experte; und neuerdings erfolgreicher Buchautor.

Storyline: Warum treffen wir uns gerade hier in der Destithek?

Patrick Zbinden: Erstens weil wir hier mitten im Niederdorf an einem der schönsten Ecken von Zürich sind. Zweitens weil das Neumarkt, wo die Destithek drin ist, ein schöner Ort ist. Und drittens weil es einfach eine Bar mit guter Ambience ist.

Da fehlt doch noch was.

Patrick Zbinden: Ok, es gibt hier schlicht ein einmaliges Angebot an sehr guten Schnäpsen.

Was darfs denn sein?

Patrick Zbinden: Etwas Fruchtiges. Mal sehen, was René im Tagesangebot hat.

René?

Patrick Zbinden: René Zimmermann, der Wirt. Der kennt sich aus. Ich nehme den Brenzer Kirsch. Das ist ein Slowfood-Schnaps gebrannt von Lorenz Humbel.

Ein Brenzer Schnaps der brennt…

Patrick Zbinden: Nein, überhaupt nicht. Fruchtig, angenehm, reich.

Sie sind ja Sensoriker und Food-Experte. Rücken Sie doch mal raus mit Ihrem Spezialwissen.

Patrick Zbinden: Also, in diesem Schnaps sind Chriesi drin, und zwar von alten Hochstamm-Bäumen, die dunkle Kirschen tragen, um die sich eben seit einiger Zeit Slowfood kümmert. Der Schnaps war sogar mal Schnaps des Jahres.

Gehen Sie eigentlich oft auswärts essen?

Patrick Zbinden: Es geht. Mir reicht die Zeit fast nicht mehr. Ich bewirte oft Gäste zuhause und koche regelmässig, sogar zweimal pro Tag. Und dann, was soll ich auswärts etwas essen, das…

… das Sie zuhause besser kochen können?[nbsp]

Patrick Zbinden: Das klingt vielleicht doof, aber ja. Ich kenne mittlerweile einfach sehr viele Gerichte, wie sie gemacht werden müssen, mit welchen Zutaten, wie sie schmecken und so fort. Da wirds dann oft ärgerlich im Restaurant.

Also jetzt so richtig ärgerlich?

Patrick Zbinden: Für mich schon, ich kann einfach nicht anders. Zum Beispiel wenn ich in Zürich ins Strozzi’s gehe…

Welches Strozzi’s?

Patrick Zbinden: Das hinter dem Fraumünster. Ich habe einen Capuccino bestellt und was mir die Kellnerin gebracht hat, war einfach alles andere als ein Capuccino.

Warum?

Patrick Zbinden: Schlechter Milchschaum der an Badeschaum erinnert, mangelhafter Geschmack. Dann habe ich reklamiert und noch einmal einen verlangt. Ich bekam noch einmal genau den gleichen! Dabei kann man heute eine Ausbildung zum Barista machen![nbsp] Oder wenn ich in diesem Restaurant Pasta an einer «Cinque P»-Sauce bestelle und dann eine …

Vielleicht erklären Sie kurz, was das ist?

Patrick Zbinden: Eine italienische Pastasauce, die mit fünf Produkten gemacht wird, welche mit P beginnen: Petersilie, Parmesan, Panna (Rahm), Pepe (Pfeffer), Pomodore (Tomaten).
Da kann es doch nicht sein, dass man eine Sauce serviert bekommt, die vor allem aus Tomaten besteht mit einem Mini-Schuss Rahm?! Wo bleibt da der Respekt vor den Gerichten? Diese Gerichte haben einen Namen, eine Geschichte und einen bestimmten Geschmack, der natürlich je nach Koch variieren soll. Aber eine Cinque-P-Sauce ist nun mal keine Tomaten-Rahmsauce! Da kann die Küche doch nicht einfach zu wenig Rahm nehmen, nur weils ein teures Produkt ist!

Also wirklich richtig ärgerlich.

Patrick Zbinden: Total. Ja, mich ärgert das. Es ist eine Beleidigung für die Produkte, wenn man sie nicht richtig zubereiten kann. Gehen Sie mal in die Prodega oder einen CC (Fachgeschäfte für Gastrobetriebe, die Red.). Wissen Sie wie viele billige Olivenöle da rumstehen? Und ich schmecke es, ob ein Restaurant mit einem guten oder mit einem ranzigen, billigen Fusel-Öl kocht. Jeder, der einen guten Geschmack hat, merkt das.

Also kein billiges Olivenöl und mehr Respekt vor dem Gast.

Patrick Zbinden: Und vor den Gerichten! Ich frage mich oft, wieso setzt ein Wirt Speisen wie zum Beispiel Panna Cotta oder eine Tarte Tatin auf die Karte? Da sieht man doch sofort, was die Küche kann. Eine Tarte Tatin ist nicht einfach eine umgestürzte Apfelwähe, das muss man können. Und bei diesen Gerichten zeigts sich jeweils sofort, ob ein Koch sein Handwerk beherrscht oder eben nicht. Und wenn er halt nicht so gut ist – warum muss er dann gleich dem Gast solche Dessertgerichte servieren?!

Vielleicht wechseln wir nun lieber zu den positiven Erlebnissen…

Patrick Zbinden: Gerne.

Es gab also schon welche??

Patrick Zbinden: Natürlich, viele. Zum Beispiel ass ich kürzlich im Restaurant Greulich.

Schickes Designhotel mit Restaurant im Zürcher Chreis Cheib.

Patrick Zbinden: Dort kocht David Martinez Salvany.

Der junge wilde Katalane.

Patrick Zbinden: 16 Gault-Millau-Punkte. Zum Dessert gabs einen Rosmarin-Kuchen mit einem Himbeer-Coulis.

Hm?

Patrick Zbinden: Klingt abenteuerlich, war aber so perfekt komponiert und unglaublich überraschend, dass ich dafür glatt die Note 6 vergeben würde. Der hats echt im Griff, der Martinez!

Was ist für Sie eigentlich besonders wichtig beim Restaurant-Besuch?
Mal abgesehen vom Respekt vor den Produkten meine ich…[nbsp]

Patrick Zbinden: Geruchsneutrale Atmosphäre. Als Sensoriker bin ich ein Nasenmensch. Nichts Schlimmeres als Geruch nach kaltem Rauch oder zu viel Parfüm. Oder nach billiger Raumbeduftung! Und wenn das Personal parfümiert ist, kriege ich die Krise. Heute riecht zwar niemand mehr nach Schweiss, dafür nach Deodorant…[nbsp] Ausserdem lege ich Wert darauf, dass die Kellner die Philosophie eines Lokals wirklich leben. In einem hippen Restaurant mit viel junger Kundschaft soll auch das Personal so sein. Und umgekehrt, wenn ich in ein Restaurant ab 16 Gault-Millau-Punkten gehe, dann erwarte ich natürlich ein entsprechendes Niveau. So oder so: Das Personal sollte seinen Beruf beherrschen.

Sie haben kürzlich ein Buch veröffentlicht: «928 Clevere Küchentipps»*. Das ist selbsterklärend. Wie läufts damit?

Patrick Zbinden: Ich wusste gar nicht, dass ich dafür Werbung machen darf.

Dürfen Sie auch nicht. Das mache ich.

Patrick Zbinden: Aha. Also ich bin positiv überrascht, es läuft gut. Ich bekomme tolle Feedbacks. Wir haben sogar schon zweimal über eine zweite Auflage nachgedacht.

Und?

Patrick Zbinden: Die kommt wahrscheinlich vor Weihnachten.

Wie praktisch.

Patrick Zbinden: Ausserdem wird das Buch auch in Läden wie dem Olive-Shop, in der Gourmetfactory oder im Le Pain Quotidien verkauft. Und das freut mich natürlich, wenn ich in Betrieben, die auf Qualität setzen, verkauft werde.

So, die Werbepause ist um. Herzlichen Dank für den Drink.

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