Gastronomie will „Nein“ vorerst nicht ausnützen

Nach dem deutlichen Nein zur Passivrauch-Initiative befürchtet die Lungenliga, dass die Gastrobranche die bestehenden Gesetze lockern will. Doch diese hält sich noch zurück.

Die Befürworter der Initiative zum Schutz vor Passivrauchen sind nicht nur enttäuscht über das klare Nein – sie haben auch Angst vor den Folgen. «Wir befürchten, dass nun die strengeren Rauchverbote in einzelnen Kantonen unter Druck kommen», sagt Barbara Weber von der Lungenliga. Konkret glauben die Initianten, dass die Gastronomie die bestehenden Gesetze mit eigenen Initiativen lockern will. Weber beruft sich dabei auf das Positionspapier der Gastrosuisse vom 19. April 2011. Darin schreibt der Branchenverband: «Mittelfristig muss es auf der Basis der Bundeslösung eine schweizweit einheitliche Regelung geben.»

Zur Zeit verfügen elf Kantone über diese Bundeslösung, die kleine Raucherbeizen unter 80 Quadratmetern und bediente Fumoirs erlaubt – die anderen Kantone haben strengere Vorschriften (siehe Grafik). Dabei soll es laut dem Gastrosuisse-Direktor Bernhard Kuster auch bleiben: «Das Volk hat klar zum Ausdruck gebracht, dass es keine zentralistische Lösung will. Das muss man respektieren.» Die Gastrosuisse plane deshalb auch keine schweizweite Initiative, um die Bundeslösung durchzusetzen. Dennoch kann Kuster nicht ausschliessen, dass einzelne Kantonalsektionen den Schwung aus der Abstimmung nutzen werden. «Es bleibt ihnen überlassen, ob sie aktiv werden wollen oder nicht.»

«Kontraproduktiv»

Bereits im Vorfeld der Abstimmung liess Gastro-Zürich-Präsident Ernst Bachmann verlauten, dass seine Sektion bei einem Nein am Sonntag versuchen werde, in Zürich die Raucherbeizen wieder einzuführen. Nun zeigt er sich plötzlich vorsichtig. «Es könnte kontraproduktiv sein, wenn wir sofort eine neue Initiative starten», sagt Bachmann. Er glaube aber nach wie vor, dass es sich die Schweiz nicht leisten könne, in jedem Kanton ein anderes Gesetz zu haben. Die Kantonalsektion werde sich nun demokratisch beraten und über das weitere Vorgehen entscheiden.

Einen Schritt weiter ist man im Kanton Appenzell-Ausserrhoden. Dort ist bereits eine Initiative hängig, die Raucherbeizen wieder erlauben möchte. Der kantonale Wirteverband begründete seinen Vorstoss mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber dem Nachbarkanton Innerrhoden – wo die Bundeslösung gilt. «Wir entscheiden in zehn Tagen, ob wir an der Initative festhalten wollen», sagt Präsident Walter Höhener. Zuerst müsste man auswerten, warum die Ausserrhodner Bevölkerung das Anliegen der Lungenliga mit rund 69 Prozent Nein-Stimmen verworfen habe. «Vielleicht sind sie mit dem Status Quo einfach zufrieden.»

«Am Schluss uns Zwängerei vorwerfen»

Auch bei den acht Kantonen mit den strengsten Passivschutz-Regelungen – keine Raucherbeizen und nur unbediente Fumoirs – plant die Gastrobranche zur Zeit keine Initativen zur Lockerung des Verbots. «Ein kantonales Volksbegehren haben wir bisher ausgeschlossen», sagt Hans Jungo von Gastro Fribourg. Bei Gastro Valais würde man die weniger strenge Bundeslösung zwar befürworten – laut Vizepräsident Odilo Zumthurm sei aber zur Zeit keine Initiative geplant.

Bereits gehandelt hat der Kanton St. Gallen – jedoch nicht mit einer Volksinitiative, sondern mit einem Vorstoss im Kantonsrat, der vergangenen September an die Regierung überwiesen wurde. Demnach sollen Gäste künftig in Fumoirs von Restaurants wieder bedient werden dürfen. Von einem weiteren Vorstoss für die Wiedereinführung von kleinen Raucherbeizen sieht man laut Gastro St. Gallen Präsident Josef Müller ab. «Sonst müsste man am Schluss noch uns Zwängerei vorwerfen.»

Weitere Initiative in der Pipeline

Doch selbst wenn die Gastronomie Wort hält und keine weiteren Initiativen lanciert, könnte das Schweizer Stimmvolk in rund zwei Jahren noch einmal über den Schutz vor Passivrauchen abstimmen müssen. Verantwortlich dafür wäre die Schweizerische Liga gegen das Passivrauchen aus Genf. Diese hält trotz des Volksentscheid vom Sonntag an ihrer Initiative «Schutz der Gesundheit vor dem Passivrauch – für einen effektiv wirksamen und nicht diskrimierenden Schutz gemäss den Normen der WHO» fest. «Klar ist das heutige Ergebnis enttäuschend. Wir sind aber überzeugt, dass sich die Einstellung der Bevölkerung in den nächsten Monaten ändern wird», sagt Mitinitiant Jean-Alain Barth.

Dass der Kanton Genf das Anliegen der Lungenliga befürwortet hat, zeigt laut Barth, dass genügend Aufklärung reiche, um die Leute für das Anliegen zu gewinnen. Der Verein fordert ein Verbot des Rauchens in allen öffentlichen Räumen – Ausnahmen sollen einzig für Gefangene gelten. Zudem soll das Rauchen im Freien verboten werden, wenn dies «zum Schutz gewisser Personengruppen erforderlich ist.» Laut Barth läuft die Unterschriftensammlung seit dem Sammelstart im Juni sehr gut – erste Zahlen könne er aber erst im Februar liefern.

Quelle: 20min.ch

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