Stadt Zürich verlängert Biervertrag mit Carlsberg

In städtischen Beizen werden auch die nächsten drei Jahre hauptsächlich Biere von Feldschlösschen und Hürlimann ausgeschenkt. Was die dänischen Brauereibesitzer freut, ärgert das lokale Gewerbe.

Ein Brief landete kürzlich auf den Tresen sämtlicher Bars und Restaurants, die sich in städtischem Besitz befinden. Darin informierte die Liegenschaftenverwaltung, dass der seit 2008 geltende Vertrag mit Feldschlösschen um drei Jahre verlängert wurde.

In den rund 30 grossen und mittleren Betrieben müssen bis zum Herbst 2016 zwei Drittel des verkauften Bieres vom viertgrössten Bierbrauer der Welt stammen. Wer sich nicht daran hält, riskiert eine Geldstrafe und im Wiederholungsfall die Auflösung des Mietvertrags. Dem Deal mit dem Produzenten aus Rheinfelden AG, der zum dänischen Carlsberg-Konzern gehört, waren weder eine öffentliche Ausschreibung noch eine Vernehmlassung vorausgegangen.

Obwohl der Vertrag dieses Prozedere ausdrücklich vorsieht, sind lokale Bierbrauer irritiert. «Diese stillschweigende Verlängerung haben wir mit Ernüchterung zur Kenntnis genommen», sagt Adrien Weber von Turbinenbräu, das in Altstetten produziert und mittlerweile zu den zehn grössten Brauereien der Schweiz gehört. «Wir wären durchaus in der Lage, diese Lokale zu beliefern. Mit dem gleichen Service wie Carlsberg.»Auch Konkurrent Thomas Schreiber von Amboss Bier, das vor über 20 Jahren im Bogen 13 kreiert wurde und mittlerweile in Baar hergestellt wird, ist enttäuscht: «Die Stadt ist den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Anstatt mit Leuten das Gespräch zu suchen, die in Zürich etwas bewegen.»

Zürcher Bier ist günstiger
Weber und Schreiber hätten der Liegenschaftenverwaltung gerne eine Offerte unterbreitet. Die Wirte wären damit günstiger gefahren. Während der Preis für den Liter Bier von Turbinenbräu seit 2008 bei 2.85 Franken stagniert, ist jener von Feldschlösschen Bier von 2.86 Franken auf 3.32 gestiegen. Zusätzlich gehen heute 67 Prozent des Rückvergütungsbetrags (eine Art Rabatt), den Carlsberg den Abnehmern seiner Biere pro Hektoliter und Jahr bezahlt, an die Stadt. Könnten die Wirte direkt mit den Brauereien ihrer Wahl verhandeln, wäre für sie in diesem Bereich deutlich mehr herauszuholen. Insgesamt entgehen einem Wirt mit 130 Hektoliter Umsatz pro Jahr Einnahmen von rund 10’000 Franken, wie ein Zürcher Getränkehändler vorrechnet.

Die Stadt verteidigt die Vertragsverlängerung. «Wir haben in der Vergangenheit keine negativen Rückmeldungen von den Wirtinnen und Wirten erhalten», sagt Jürg Keller, Vizedirektor der Liegenschaftenverwaltung. Nach Rücksprache mit Finanzvorstand Martin Vollenwyder (FDP) habe man deshalb den Vertrag verlängert. Zusätzlich habe man ein deutliches Signal ausgesandt, dass die Pächter den Rahmen für Fremdbier auch ausnützen und insbesondere lokale Erzeugnisse berücksichtigen sollen. Tatsächlich steht ein solcher Appell im eingangs erwähnten Schreiben. In der Realität sind die Wirte jedoch vertraglich dazu verpflichtet, ihr Bier ausschliesslich über Absatzkanäle im Besitz von Carlsberg zu beziehen, die zum Beispiel ein Turbinenbräu gar nicht im Sortiment führen. Faktisch ausgeschlossen bleiben somit unabhängige Getränkehändler wie Intercomestibles oder Huber. Die Folgen sind messbar: Nicht einmal 3 Prozent der Biermenge, die in städtischen Beizen ausgeschenkt wird, sind auch auf Zürcher Stadtgebiet gebraut worden.

«Scheinheiliges Getue»
Überhaupt keine Freude an der Post von der Liegenschaftenverwaltung hatte Neumarkt-Wirt René Zimmermann: «Der Verwaltung geht es offenbar nur ums Geld. Und mit den Rückvergütungen verdient die Stadt Geld.» Er könne zwar damit leben, aus seiner Sicht ist das Vorgehen aber unsinnig. In ihrem Brief suggeriere die Stadt, dass mit der Vertragsverlängerung die Biervielfalt gefördert werde. Um dies zu untermauern, schenkte sie ihren Pächtern das Buch «Bier und Wir», das «auf über 200 Seiten die Geschichte der Brauereien und des Bierkonsums in der Schweiz dokumentiert», wie es im Schreiben heisst. «Das ist doch scheinheiliges Getue», sagt Zimmermann. Man müsse den Markt freigeben, wenn man ehrlich an einer Biervielfalt interessiert sei.

Eine Art Quersubventionierung
Den Vorwurf, es gehe der Stadt nur ums Finanzielle, lässt Jürg Keller nicht gelten: «Der Anteil an den Rückvergütungen versickert nicht irgendwo.» Vielmehr würden damit die Gastrobetriebe instand gehalten und ausgebaut. Insbesondere sichere man damit auch die Erhaltung defizitärer Quartier- und Saalbeizen. Eine Art Quersubventionierung, die laut Stadt nur dank einer Lösung möglich sei, die alle Betriebe einschliesse. Und eine solche sei eben nur mit einem leistungsfähigen Partner möglich. Keller kündigt an, dass nach Ablauf des nun abgeschlossenen Rahmenvertrags in drei Jahren eine Neuausschreibung geplant ist.

Turbinenbräu und Amboss wollen dann wieder eine Offerte einreichen. Ob zusammen oder alleine, ist noch offen. Es sind keine wirtschaftlichen Gründe, welche die beiden Brauer motivieren. «Es ist eine reine Prestigesache, Geld verdienen kann man damit nicht», sagt Adrien Weber von Turbinenbräu. Beim regionalen Bier habe es in den letzten Jahren ein grosses Wachstum gegeben, sagt Amboss-Chef Thomas Schreiber. «Jetzt wäre es an der Zeit, dass die Stadt ein Zeichen setzt und diese Leute auch berücksichtigt.»

Politiker wollen sich einmischen
Am 17. Juli ist der Brief verschickt worden, der die Vertragsverlängerung ankündigt. Ziemlich genau einen Monat zuvor haben 86 Prozent der Stimmberechtigten Ja gesagt zum KMU-Artikel in der Gemeindeordnung. Darin steht, dass kleine und mittlere Unternehmen in Zürich gefördert werden sollen. Untergräbt der Deal mit Bierlieferant Carlsberg den Volkswillen? Gemäss Gemeinderat und Bierbrauer Urs Egger (FDP) steht das Vorgehen der Liegenschaftenverwaltung «etwas schief in der Landschaft». Natürlich sei es bequem, mit einem Grossen weiterzumachen. Da Feldschlösschen der teuerste Lieferant sei, mache die Verlängerung aus liberaler Sicht jedoch keinen Sinn.

Egger ärgert es, dass behauptet werde, der Rahmenvertrag habe die Entwicklung der lokalen Biere gefördert. «Das stimmt schlicht nicht.» Zusammen mit anderen Parlamentariern will er nun Antwort vom Stadtrat, wie es mit dem Bier in Zürich weitergehen soll.

Quelle: tagesanzeiger.ch

Gesehen auf: biergenuss.ch

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